In Italien bin und bleibe ich ‚der Deutsche‘. Auch in vielen anderen Ländern wäre das wohl so.  Was mich immer wieder überrascht, ist der Stellenwert, den der Begriff ‚Nation‘ als Ordnungskriterium im Denken der Italiener hat.

Damit meine ich nicht den positiven oder negativen Nationalismus der Italiener, die oft in pauschaler Manier das eigene Land loben oder abgrundtief kritisieren. Italien ist dann entweder das schönste und lebenswerteste Land der Welt, oder es ist ein Land, in dem die Politiker unfähig und korrupt sind und in dem nichts funktioniert.

Wie oft musste ich die Frage hören, ob Beethoven Deutscher oder Österreicher sei? In Deutschland würde diese Frage niemand stellen. Und das nicht, weil unsere heutigen Nationalstaaten damals nicht existierten, sondern weil Beethoven und seine Musik Teil einer transnationalen Kultur sind. Genauso oft sollte ich bestätigen, dass Mozart Österreicher sei und die Frage klären, ob Hitler nun Österreicher oder Deutscher gewesen sein.

Erhält ein Unternehmen einen ausländischen Eigentümer, dann heißt es, es würde, sagen wir, an die Franzosen verkauft. Haben in einer schönen Landschaft einige Leute aus Belgien Ferienhäuser gekauft. Dann ist dort alles in der Hand von Belgiern. Ein Produkt kann dadurch geadelt werden, dass man es aus einem anderen Land bezieht. Schon deshalb haben Mercedes und Volkswagen einen anderen Stellenwert als Fiat und Alfa Romeo.

Viele der jüngeren Italiener sind genauso international orientiert wie ihre Altersgenossen in anderen Ländern. Sie studieren und arbeiten, wo es interessant und lukrativ ist. Italiener reisen gerne, und man trifft sie in den entlegensten Zipfeln der Welt.

Der Begriff ‚Nation‘ als Kriterium der Zugehörigkeit scheint ein Anachronismus zu sein. Vielleicht wird er in erster Linie von denen gepflegt, die den Lebenskreis ihrer Herkunft nie für längere Zeit verlassen haben? Inmitten dieser Menschen lebe ich jedoch. Indem sie mich mit dem Land meiner Herkunft benennen, und ich diese Distanzierung akzeptiere, habe auf der anderen Seite die Möglichkeit, wie von außen zu beschreiben was ich sehe,